Sünde 9 - Eifersucht

Wer seinem Partner auf Schritt und Tritt nachspioniert, dessen Terminkalender misstrauisch beäugt und ihn wegen jedes Lächelns, das er für andere Menschen übrig hat, der Untreue bezichtigt, begeht die Todsünde der besitzergreifenden Eifersucht. Da die Untaten in vollem Bewusstsein begangen werden, darf keine Vergebung erwartet werden.

»Da war doch was, ich kenn dich doch«

Düsseldorf: Sabine (32) kommt nicht mehr klar mit Thorstens Beschuldigungen (34).

Ich selbst weiß schon auch, wie sich Eifersucht anfühlt. Aber das, was mein Freund mit mir macht, ist nicht mehr zu ertragen. Er misstraut mir auf Schritt und Tritt. Er macht mir eine Szene nach der anderen. Dabei hat er es eigentlich gar nicht nötig. In meinen Augen ist er der schönste Mann der ganzen Welt. Aber seine furchtbare Eifersucht hat dazu geführt, dass ich ihm dann tatsächlich einmal einen Grund dafür gegeben habe.

Wie durch Magie erwachten wir und vögelten wieder

Thorsten rief mich eines Tages an, als seine Beziehung zu Ende gegangen war. Wir kannten uns flüchtig, ich war solo. Und ich hatte keine Lust mehr, nach einem Mann zu suchen. Zu aufwendig: Zuerst verliebt man sich, macht sich große Hoffnungen, und dann wartet doch wieder die nächste Enttäuschung. Da wollte ich lieber alleine sein und mich ganz auf meine Arbeit konzentrieren. Ich bin nämlich Pharmareferentin und entschlossen, meine Arbeit sehr, sehr gut zu machen. Deshalb habe ich es zuerst abgelehnt, mich mit Thorsten zu verabreden. Aber er ließ nicht locker und meldete sich immer wieder, bis ich nachgab und wir einfach eine Kleinigkeit zusammen essen wollten.

Es tat so gut, endlich mal wieder mit jemandem zu reden. Ich vergaß meine Arbeit, meinen Vorsatz, und Thorsten gefiel mir immer besser. Dabei hatte ich an dem Abend, als wir uns zum Essen trafen, nicht einmal etwas getrunken. Beim Sprechen rückten wir immer näher aneinander heran, wir berührten uns gegenseitig, wenn wir dem anderen etwas erzählten, und irgendwann ließen wir uns gar nicht mehr los. Schließlich machte die Gaststätte zu. Draußen war es winterlich kalt, und er nahm mich in den Arm. Ich kann mich nicht mehr an alle Einzelheiten erinnern, aber wir gingen eng umschlungen von der Innenstadt zu Fuß zu ihm nach Grafenberg. Eine ganz schön lange Strecke. Ich weiß nur noch, wie wir alberten, dass wir jetzt zum Grafen in Grafenberg gehen. Wahrscheinlich freuten wir uns einfach ausgelassen auf das, was nun kommen sollte.

Seine Wohnung war kahl. Sein Schlafzimmer bestand eigentlich auch nur aus einer Matratze auf dem Boden und einem langen, niedrigen Regal. Aber was mir bis heute so gut an ihm gefällt: Er macht immer das Beste aus allem. Er legte im Nebenzimmer Musik auf, holte ein paar Kerzen, und im Nu war alles gemütlich und romantisch.

Auch unser Sex war so. Thorsten hat einen sehr schönen Körper. Wir streichelten und küssten uns erst lange, bis ich es kaum mehr aushalten konnte. Dann drang er in mich ein – und es war der Himmel auf Erden. Er bewegte sich sehr geschickt in mir, und ich konnte nicht genug davon bekommen, seinen schönen, muskulösen Körper immer wieder zu streicheln und anzufassen. Nicht jeder Mann bringt mich gleich zum Orgasmus. Aber hier mit Thorsten war das überhaupt kein Problem.

Wir schliefen ein, es war ja spät genug. Aber nicht lange. Wie durch Magie erwachten wir beide gleichzeitig mitten in der Nacht und vögelten wieder. Und am Morgen, es war so schön: Ich war ganz kurz vor ihm wach und schaute ihn an. Da öffnete er die Augen, sah mich, lächelte glücklich und meinte: »Hallo, Süße«. Und dann schliefen wir wieder miteinander.

Die nächsten zwei Wochen verbrachten wir jede Nacht miteinander. Ihn zu spüren und so schönen Sex mit ihm zu haben – das war wirklich ein Geschenk.

Der Haarkranz um seinen Schwanz leuchtete wie ein Heiligenschein

Dann musste er zum ersten Mal wegfahren. Für eine Woche. Thorsten ist immer viel unterwegs, mal auf Fortbildung, mal im Urlaub. Schon am ersten Tag vermisste ich ihn wie verrückt. In allen Menschen, die mir über den Weg liefen, entdeckte ich Einzelheiten von ihm. Der eine hatte eine ähnliche Figur, der andere eine ähnliche Haarfarbe und ein Dritter ein ähnliches Lachen. Aber bei niemandem trafen alle Merkmale so perfekt zusammen wie bei Thorsten. Und in meiner Erinnerung sah ich ihn nackt: den Haarkranz um seinen Schwanz, der beim Vögeln im Kerzenlicht wie ein Heiligenschein leuchtete. Oder den kleinen Leberfleck unter seinem Bauchnabel. Es war, als ob Thorsten mir Leben eingehaucht hätte, und jetzt stand ich da und wusste nicht, was ich mit all dem Leben tun sollte, außer mich nach ihm zu sehnen.

Das nächste Mal – mittlerweile war es Sommer – ist Thorsten für drei Wochen weggefahren. Nach Tokio. Ich träumte andauernd vom Wiedersehen. Ich malte mir aus, wie ich ihn am Flughafen abholen würde, besonders schön gemacht mit dem schlichten schwarzen Kleid, das meine Figur sehr gut betont und auch meine schöne, ebenmäßige Haut. Ich wollte ihm eine lange rote Rose geben. Wir würden uns küssen, ich würde seinen Ständer an meinen Schamlippen spüren und seine kräftigen Hände an meinem Nacken. Und dann auf dem Weg nach Grafenberg würde ich unterwegs bei der ersten besten Gelegenheit anhalten, und wir würden es nicht mehr aushalten und uns küssen und gleich schon im Auto übereinander herfallen. Diese Fantasien hatten mich ganz feucht gemacht. Ich nahm meinen Dildo und stellte mir das Wiedersehen noch einmal mit vielen Einzelheiten vor. An diesem Tag habe ich entdeckt, dass Fantasien die Sexualität bereichern. Denn mein Orgasmus war, sozusagen in Handarbeit, ziemlich gut. Zwar nicht so gut wie zusammen mit Thorsten, aber viel besser, als ich es sonst alleine hinbekomme.

Als Thorsten dann schon länger wieder in Düsseldorf war, hatte ich noch einmal ein ähnliches Erlebnis. Ich war schon sehr müde und eigentlich fast schon eingeschlafen. Da vögelten wir trotzdem noch einmal miteinander. Vielleicht hatte ich schon geträumt, jedenfalls bekam ich das Gefühl, von einem fremden Mann überwältigt zu werden. Mir war klar, dass ich in diesem Moment mit Thorsten schlief, ich war innerlich auch bei ihm, trotzdem kam es mir fast so vor, als sei es das erste Mal mit ihm. Es war unglaublich antörnend, ich hatte Sex mit meinem vertrauten Freund, und trotzdem war es etwas Neues. Als wir beide gekommen waren, erzählte ich ihm davon. Ich wollte ihn einfach teilhaben lassen.

Von nun an machte er sich viele Gedanken

Aber wie erstaunt war ich, als er völlig versteinert reagierte. Vielleicht hatte ich mich ungeschickt ausgedrückt. Für mich war es eigentlich ein Liebesbeweis, ihm davon zu erzählen. Ich hab in meinem Leben schon vieles gemacht, was mein jeweiliger Partner nicht unbedingt wissen sollte. Aber hier war nichts passiert, außer dass sich eine Fantasie einstellte, an der ich Thorsten sogar teilhaben lassen wollte. Doch es war definitiv der Wendepunkt in unserer so schönen Beziehung.

Von nun an machte er sich viele Gedanken. Was das wohl für ein Mann war, mit dem ich in der Fantasie geschlafen hatte? (Dass er es selbst war, wollte er mir nicht glauben.) Wie denn überhaupt meine Vergangenheit ausgesehen hatte? Wem ich treu gewesen war und wem nicht? Er wollte es immer noch genauer wissen. Ganz besonders schoss er sich auf meine erste große Liebe ein. Ich nenne ihn jetzt mal Mr. X. Meine Beziehung zu ihm war in der Tat mit der eigentlichen Trennung noch lange nicht richtig zu Ende gewesen. Wir waren immer wieder einmal miteinander ins Bett gegangen. Heute tun wir das nicht mehr, aber Mr. X hat trotzdem eine besondere Stellung in meinem Herzen. Jeder Mensch ist schließlich geprägt von seiner Vergangenheit und kann sie nicht einfach ausradieren. Und plötzlich war Thorsten von der Idee besessen, meine Fantasie damals sei Mr. X gewesen.

Aber damit nicht genug. Er kam zu dem Schluss, dass ich beziehungsunfähig und er nur die Generalprobe für eine richtige Beziehung sei. Es war wie in einem bösen Traum. Hatte ich schon gesagt, dass er Psychotherapeut ist? Er hat in diesem Bereich bestimmt großes Wissen, aber bei mir setzte er alles völlig falsch zusammen. Erstaunlicherweise aber funktionierte der Sex immer noch gut. Es war, als ob wir dann aus dem Albtraum aufwachten und uns so sahen, wie wir eigentlich sind, ohne Misstrauen, nur in Liebe. Aber kaum war der Sex zu Ende, fing Thorsten schon wieder an: »Sag mal, Süße, da war doch was, ich kenn dich doch? Wann hast du das letzte Mal mit Mr. X telefoniert? Willst du ihn gerne wiedersehen?«

Klar – Wodka und Würste als Platzhalter für Sperma und Ständer

Es wurde immer noch schlimmer. Thorsten mischte sich mit einem Mal auch in berufliche Kontakte ein und stand plötzlich bei einem Geschäftsessen an unserem Tisch. Wir waren gerade fertig, insofern machte es nicht so viel aus. Ich begleitete meinen Geschäftspartner dann zur Tür und entschuldigte mich für das Benehmen meines Freundes. Anschließend warf mir Thorsten vor, ich hätte die Gelegenheit genutzt, meinem Geschäftspartner schnell einen Zungenkuss zu geben und ihm zwischen die Beine zu greifen. Überhaupt entwickelte er eine lebhafte Fantasie. Er bezichtigte mich, meinen Handwerker zu verführen, um die Rechnungen zu drücken. Die Nachbarn in meinem Haus waren sowieso alle schon unter Verdacht. Er las auch heimlich in meinem Tagebuch und in meinen E-Mails. Ein ausgelassenes Hochzeitsfest von Freunden aus Krakau mit viel Wodka und polnischen Würsten deutete er als sexuelle Massenorgie. Ist ja auch jedem sofort klar: Wodka und Würste als Platzhalter für Sperma und Ständer. Jetzt, beim Erzählen, muss ich selbst darüber lachen. Aber damals verlor ich fast den Boden unter den Füßen, weil es nichts mehr gab, was er mir glaubte.

Es wurde so schlimm, dass ich meine innere Sicherheit völlig verlor. Schließlich ließ ich mich auf einer Geschäftsreise auf einen One-Night-Stand mit einem fremden Mann ein, nur aus Trotz, damit Thorsten endlich einmal einen Grund für seine Verdächtigungen hatte. Ich hab’s dann doch für mich behalten. Denn es war vielleicht etwas unfair, weil auch Thorsten sehr unter seiner Eifersucht leidet. Ich liebe ihn immer noch, aber ich kann nicht mehr. Ich warte eigentlich nur noch auf den richtigen Moment, um ihm zu sagen, dass ich aufgebe, aus Erschöpfung.

Oswalt Kolle ganz persönlich

»Er hätte professionelle Hilfe in Anspruch nehmen sollen«

Eifersucht ist ein gefährliches Gefühl. Die Einstellung »Ein bisschen Eifersucht darf doch sein« ist falsch. Denn auf dieser Basis können sich die missgünstigen Gefühle hochschaukeln – was allerdings den meisten Menschen nicht bewusst ist. Damals, zu »meiner Zeit«, waren wir alle der Meinung, Eifersucht sei ein tödliches Gift, das man nicht zulassen darf. Dazu stehe ich auch heute noch, wobei mir allerdings klar ist, dass sich meine Einstellung nicht auf andere Menschen übertragen lässt. Für mich gibt es genauso wenig ein bisschen Eifersucht, wie es ein bisschen Schwangerschaft gibt. Was der Eifersüchtige vielleicht noch als harmlos empfindet, ruiniert für den Partner unter Umständen die Beziehung. Und man muss nur eine beliebige Tageszeitung aufschlagen, um die fürchterlichsten Gräueltaten zu erfahren, die Menschen aus Eifersucht begehen. Nach meiner tiefsten Überzeugung ist die Eifersucht kein gutes Gefühl, sondern ein großes, grünäugiges Monster, das des Menschen Seele zerfrisst. Natürlich steht außer Frage, dass es die Eifersucht gibt. Und sie ist quälend – für den Eifersüchtigen selbst genauso wie für den eifersüchtig Beäugten. Und so haben wir allen Grund, gegen die Eifersucht anzukämpfen – notfalls auch mit professioneller Hilfe, also mit einer Psychotherapie oder Partnerberatung. Das hätte auch Thorsten tun sollen, und dabei ist es egal, ob er ungerechtfertigt eifersüchtig oder ob er der Meinung ist, einen tatsächlichen Grund zu haben. Denn mit Eifersucht macht man sich nur das Leben schwer, aber an der Situation ändert sie gar nichts.

Auf die Fantasie von Sabine hätte Thorsten sowieso nicht eifersüchtig sein dürfen: In den meisten Frauenfantasien spielen gesichtslose, anonyme Männer und Frauen eine Rolle sowie ganz unwahrscheinliche Situationen, etwa Gruppensex und sadomasochistische Fantasien, die eine Frau in der Wirklichkeit aber oft gar nicht ausleben will. Das schrieben mir Tausende von Frauen in ihren Briefen. Männer sind da anders: Die träumen nicht nur, die wollen es oft auch wissen.

Erfüllt Eifersucht einen Zweck, und wo liegen ihre Wurzeln?

»Eifersucht ist die Leidenschaft, die mit Eifer sucht, was Leiden schafft.« Mit diesem Sprichwort beschreibt der Volksmund gern das Wesen der Eifersucht. Doch auch Wissenschaftler aus verschiedenen Bereichen haben sich mit dem Phänomen Eifersucht beschäftigt. Woher kommt sie? Welchen Sinn hat sie? Und kann man – gegebenenfalls – etwas dagegen tun? Diese und andere Fragen versuchen Anthropologen, Biologen, Evolutionsforscher, Genetiker, Mediziner und Psychologen zu beantworten.

Gene stehen im Wettstreit miteinander

Anthropologisch gesehen hat Eifersucht teilweise ihre Berechtigung. Das entsprechende wissenschaftliche Modell geht davon aus, dass zwei Partner sich treffen und sich umwerben, Kinder bekommen und zusammen großziehen, bis diese nach etwa vier Jahren der gröbsten Hilfsbedürftigkeit entwachsen sind. Die Eifersucht sorgt dafür, dass die Partner sich mit Argusaugen beobachten, um potenzielle Rivalen aus dem Feld schlagen zu können. Auf diese Weise will der Mann gewährleisten, dass die Nachkommen wirklich von ihm abstammen, und die Frau, dass sie nicht auf einmal alleine mit den Kindern dasteht, sondern dass sich der Vater an der Aufzucht beteiligt. Dabei geht es also nicht um Liebe und Zuneigung, sondern darum, die Nachkommenschaft zu gewährleisten und zu schützen.

Dieses Verhalten ist genetisch angelegt, durch das »Selfish Gene«, das eigennützige oder egoistische Gen: Nach dem Evolutionsbiologen Richard Dawkins stehen die Gene von Lebewesen, die sich sexuell vermehren, im Wettstreit miteinander. Denn das Genmaterial eines Individuums kann nicht als Ganzes an die nächste Generation weitergegeben werden, sondern nur jeweils in einer Auswahl. Insofern besteht eine Konkurrenz der Gene um die Weitergabe an die Nachkommen. Kein Gen wird zugunsten seiner Nebenbuhlerschaft zurücktreten wollen, sondern es will sich egoistisch durchsetzen, wobei »wollen« und »egoistisch« nur anschaulich gemeint sind, denn Gene haben natürlich keinen Willen und keine Gefühle. Die Eifersucht hat sich – als biologisch sinnvolle Einrichtung, wie oben beschrieben – im Lauf der Menschheitsgeschichte erhalten, beziehungsweise sie hat sich offenbar egoistisch und erfolgreich auf Kosten von anderen Genen durchgesetzt, denn sonst würden wir heute die Eifersucht nicht kennen. Die Veranlagung zur Eifersucht ist also genetisch bedingt, wobei sie dann noch individuell unterschiedlich ausgeprägt sein kann. Dennoch wäre es geradezu töricht, so zu tun, als gäbe es die Eifersucht nicht. Vielmehr ist man aufgefordert zu überlegen, in welcher Situation sie sinnvoll sein könnte und in welcher nicht.

In der Liebe gibt es drei Gefühlssysteme

Hier nun hilft uns die Anthropologin Helen Fisher aus New York City weiter. Sie ist der Auffassung, dass man die Liebe als drei voneinander unabhängige emotionale Systeme betrachten kann (die im Gehirn auf unterschiedliche neuronale Schaltkreise und hormonelle Beeinflussungen zurückgehen): 1. Lust, 2. Anziehung, 3. Verbundenheit. Die Lust oder der Sexualtrieb animiert laut Helen Fisher den Menschen dazu, sich mit irgendeinem passenden Sexualpartner zu vereinen. Das System der Anziehung zeichnet sich durch ein heftiges Verlangen nach einer gefühlsmäßigen Vereinigung mit einem speziellen Partner aus. Das System der Verbundenheit oder Kameradschaft schließlich ist durch ein Gefühl der Ruhe, der Sicherheit, des sozialen Behagens und des gefühlsmäßigen Einsseins gekennzeichnet.

Fisher kommt zu dem Schluss, dass sich die drei im Laufe unserer menschlichen Entwicklung zunehmend getrennt voneinander weiterentwickelt haben. Es scheint das Schicksal des Menschen zu sein, dass er neurologisch dazu in der Lage ist, mehr als einen Menschen zu lieben, schreibt sie. Man kann ein Gefühl tiefer Verbundenheit für einen festen Partner empfinden, den man auch von ganzem Herzen liebt. Und gleichzeitig kann man in einen Kollegen aus dem Büro oder in eine Frau aus dem Bekanntenkreis heftig verliebt sein. Und überdies kann man gegenüber einer dritten Person ein heftiges sexuelles Verlangen verspüren, mit der man noch kaum ein Wort geredet hat. In manchen langjährigen Beziehungen sind alle drei Aspekte oft zeitlich gestaffelt zu finden. Sabine und Thorsten befinden sich in ihrer frischen Verliebtheit eindeutig im System der Anziehung. Sie spüren ein heftiges Verlangen nacheinander, das Verlangen ist sogar dazu in der Lage, die starke Missstimmung auszugleichen. Das System der Anziehung, auch als »romantische Liebe« bekannt, besteht im Normalfall nicht länger als zwei bis vier Jahre. Danach treten andere Aspekte der Beziehung in den Vordergrund, oftmals ist es die Verbundenheit. (Es gibt natürlich Ausnahmen, und es ist durchaus möglich, auch in einer langjährigen Beziehung die sexuelle Lust aufrechtzuerhalten, siehe Kapitel 10.)

Um die Berechtigung von Eifersucht einzuschätzen, ist es nun wichtig, in welchem der drei Systeme sie auftaucht. Denn sie ist nicht überall sinnvoll. In einem rein sexuellen System hat die Eifersucht nichts zu suchen. Denn das rein sexuelle Verhältnis ist eher zur Triebbefriedigung gedacht. In einer langjährigen Ehe, in der die Verbundenheit stark ist, aber der sexuelle Wunsch abgeflacht ist, sollte die Eifersucht ebenfalls abgestellt werden. Einen biologischen Sinn hat die Eifersucht nur im System der Anziehung, also in dem System, bei dem es um einen bestimmten Partner geht, mit dem man auch ein Kind haben könnte. Und hier ist es in der Tat schwierig, gegen die Eifersucht anzukämpfen, aber es ist möglich, mit ihr umzugehen.

In unserer Geschichte geht es dem ersten Anschein nach um diese Art von Eifersucht. Sabine und Thorsten kennen sich erst seit mehreren Monaten, sie fühlen sich voneinander angezogen und scheinen sich auf eine romantische Art zu lieben. In einem früheren Stadium der Evolution hätten sie jeden anderen möglichen Partner, der ihre Stelle einnehmen hätte können, mit Misstrauen beäugt und notfalls vertrieben. Aber es ist eher unwahrscheinlich, dass die beiden in dieser frisch verliebten Phase überhaupt Augen für jemand anderen haben. Insofern ist in dieser Zeit die Eifersucht zwar biologisch angelegt, aber von der Romantik her eher meist unbegründet. Auch das hätte sich Thorsten bewusst machen können.

Die krankhafte und die wahnhafte Eifersucht

Ein gewisses Maß an Eifersucht kann man also durchaus als normal bezeichnen, da die Eifersucht ja – wie wir gesehen haben – genetisch bedingt ist und damit zumindest in bestimmten Situation immer wieder einmal auftauchen kann. Wenn Sie zum Beispiel zusammen ausgehen und Ihr Partner flirtet vor Ihren Augen heftig mit einer anderen Person, wird wohl jeder Mensch eifersüchtig reagieren, sodass man dies als normal bezeichnen kann. Nun gibt es aber auch noch Formen der Eifersucht, die über das normale Maß hinausgehen, nämlich die krankhafte und die wahnhafte Eifersucht.

Diese beiden Formen unterscheiden sich von der normalen Eifersucht dahin gehend, dass die Betroffenen überhaupt nicht belehrbar sind, dass sie sich immer mehr in ihre Idee hineinsteigern. Bei der wahnhaften Eifersucht hält der Betroffene sogar dann an seiner Überzeugung fest, wenn man ihm einen realen Gegenbeweis liefert, zum Beispiel: »Deine Freundin kann den sowieso auf der Party nicht geküsst haben, denn sie war an dem Abend mit ihrer Freundin im Kino.« Bei einem Eifersuchtswahn handelt es sich also um eine inhaltliche Denkstörung. Meist ist sie in Begleitung einer Alkoholerkrankung zu finden. In der medizinischen Fachliteratur wurde auch beschrieben, dass Syphilis, Alzheimer-Erkrankung, Schilddrüsenüberfunktion, Multiple Sklerose, Creutzfeld-Jakob-Syndrom und Schädel-Hirn-Trauma zu Eifersuchtswahn führen können. Die betroffenen Menschen brauchen eine medizinische Therapie, um die Grunderkrankung, so weit es geht, behandeln zu lassen. Gelingt dies, dann verschwindet in der Folge auch der Eifersuchtswahn.

Etwas anderes ist die krankhafte Eifersucht. Sie wird auch als »überwertige Idee« bezeichnet und ist etwas anderes als der Wahn. Bei der überwertigen Idee handelt es sich um gefühlsmäßig stark besetzte Erlebnisinhalte, die das Denken in unsachlicher und einseitiger Weise beherrschen, ohne dass den Betroffenen dies bewusst wird. Im Gegensatz zu den wahnhaften Ideen bleiben Realitätskontrolle und logische Denkweise erhalten. Überwertige Ideen sind ein Merkmal von Menschen mit einer paranoiden Persönlichkeitsstörung, die generell unter Misstrauen, Argwohn und Empfindlichkeit gegenüber anderen Personen leiden. Eine Persönlichkeitsstörung wird im Allgemeinen durch eine Psychotherapie behandelt. Die Schilderung von Sabine deutet darauf hin, dass Thorsten an einer überwertigen Idee, also an der krankhaften Form der Eifersucht leidet. Eine wahnhafte Eifersucht scheint nicht vorzuliegen, da Sabine nichts von einer schweren Grunderkrakung angedeutet hat.

Unserem Paar würden einige gemeinsame Therapiestunden helfen, bei denen unter fachkundiger Anleitung herausgearbeitet wird, ob Thorsten einen realen Grund für sein Misstrauen hat und wie Sabine sich verhalten könnte, um ihm seine Ängste zu nehmen. Gelingt das, würde auch seine krankhafte Eifersucht bald der Vergangenheit angehören.

Der heiße Tipp

Wie Sie Ihre Eifersucht analysieren und erträglich gestalten

Fragen Sie sich, wenn Sie eifersüchtig sind, ob es wirklich einen vernünftigen Grund für Ihre Eifersucht gibt. Ist es realistisch, dass Ihr Partner die Regeln der Beziehung verletzt und sich sexuell auf jemand anderen einlässt? Oder verdächtigen Sie ihn nur? Fragen Sie sich ganz ehrlich, ob vielleicht Erinnerungen aus der Kindheit hinter Ihren Verdächtigungen stehen. Mussten Sie zum Beispiel um die Liebe einer Person kämpfen, wurden aber zurückgewiesen? Dies alles kann ausschlaggebend dafür sein, dass Sie heute immer noch misstrauisch sind, wenn es um Gefühle geht. Gehen Sie in sich, und bitten Sie dann Ihren Partner, Ihnen seine Liebe deutlich zu zeigen.

Als Nächstes ist zu überlegen, in welcher Art von Gefühlssystem Sie sich mit Ihrem Partner befinden. Ist es eine rein sexuelle Beziehung? Dann machen Sie sich klar, dass Sie schöne Stunden zusammen erleben, aber dass ansonsten jeder von Ihnen seines Weges gehen darf.

Oder führen Sie eher eine kameradschaftliche Beziehung? Das heißt, Sie sind schon lange ein Paar, aber im Bett läuft kaum etwas? Sie schlafen gelegentlich miteinander, um sich ein Vertrauen und eine menschliche Nähe zu beweisen, aber es ist nicht besonders prickelnd? Dann bringen Sie frischen Wind in die Beziehung (siehe Kapitel 10) oder lassen Ihren Partner seine erotischen Erfahrungen anderswo machen, und Sie handhaben es ebenso. Das ist nicht schwer, wenn man sich gegenseitig vertraut und wenn man gewisse Regeln einhält. Zum Beispiel kein Sex mit jemand anderem im Ehebett. Kein Sex mit jemandem aus dem Freundeskreis. Oder keine öffentliche Zurschaustellung des Verhältnisses. Halten Sie diese Regeln ein und gönnen Sie sich gegenseitig ein sexuelles Verhältnis.

Kommen wir nun zur romantischen Liebe. Hier ist die Eifersucht genetisch angelegt, Sie können sie also nicht abstellen, aber Sie können lernen, mit ihr umzugehen. Sie können auch dafür sorgen, dass Sie nicht zu sehr Besitz von Ihnen ergreift. Hierzu die wichtigste Regel: Schüren Sie Ihre Eifersucht nicht, indem Sie diese als ein edles Gefühl begreifen. Die Eifersucht ist nicht positiv, denn sie zerstört das Vertrauen, das die Grundlage für jede Beziehung darstellt.

Versuchen Sie als Selbsttherapie, sich an Ihre Kindheit zu erinnern. An die Eifersucht auf die Geschwister. An die Eifersucht auf eine Freundin, die plötzlich eine zweite Freundin hatte. Sie werden dann zugeben, dass dies keine positiven Gefühle waren. Entwicklungspsychologisch gesehen gehören sie aber ins Kindesalter – während Sie inzwischen erwachsener und reifer geworden sind!

Vergegenwärtigen Sie sich auch, worauf sich Ihre Eifersucht bezieht. Das ist keinesfalls immer nur ein potenzieller Sexualpartner, sondern Eifersucht kann auch das Hobby Ihres Partners, seine Leidenschaft für Autos oder seine Bücher und Internetkontakte betreffen. Das heißt, eigentlich alles, was der eine ohne den anderen macht. So können Sie erkennen, dass ein wesentlicher Teil der Eifersucht in dem Glauben besteht, einen Anspruch auf das Leben des anderen zu haben. Doch es gibt kein Eigentumsrecht in Bezug auf einen Menschen, auch nicht auf dessen Blicke, seine Fantasien und sexuellen Wünsche. Sie merken: Eifersucht geht auch mit dem Gedanken einher, Sie selbst seien der wichtigste Mensch des Universums, alles soll sich um Sie drehen. Andere Menschen können Ihnen nicht das Wasser reichen.

Oft hilft es auch einfach, sich darauf zu besinnen, dass Sie in erster Linie Sie selbst sind und dass der andere nur zusätzlich da ist. Sie sind und bleiben jedoch immer eine eigene Person, mit Ihrer eigenen Geschichte, Ihren eigenen Erinnerungen und Ihren eigenen Verbindungen in die Welt. Und das gilt auch für Ihren Partner.

Wenn Sie trotz dieser Tipps nicht mit Ihrer Eifersucht umgehen können, dann therapieren Sie sich mit dem Prinzip der paradoxen Intervention. Stellen Sie sich vor, wie Ihr Partner mit jemand anderem im Bett liegt, wie die beiden sich gegenseitig nackt streicheln, wie sie sich küssen. Anstatt also die Gedanken daran zu verdrängen, holen Sie solche Bilder bewusst hervor. Zunächst wird Sie die Vorstellung schmerzen. Mit der Zeit aber immunisieren Sie sich und sehen, dass die Welt nicht zusammenbricht. Sie sollten sich nur davor hüten, den Partner mit Ihrer Eifersucht zu stark zu konfrontieren.

Oft taucht die Eifersucht auch als ein Frühwarnsystem auf. Sie merken, dass etwas anders ist als sonst, aber wissen nicht, was sich geändert hat. Suchen Sie das Gespräch mit dem Partner, aber überlegen Sie sich auch, was geschehen würde, wenn es tatsächlich noch jemand anderes gäbe.